„Kleider machen Leute“, so heißt es. Du bist, was Du trägst. Wenn du Jeans trägst, dann bist du…, wenn Du Anzug trägst, dann bist du…! So einfach ist das. Wirklich?
Ich habe eine Andacht zu halten im Altenheim, ziehe dafür den Anzug an mit Hemd und Kravatte. Es wird erwartet und ich fühle mich darin wohler als in Jeans. Für die Senioren ein stimmiges Bild.
Danach habe ich etwas Zeit, gleich ist Jugendgruppe. Wenn ich dort im Anzug erschiene, so würden die Jugendlichen wahrscheinlich einen Lachanfall bekommen, sie kennen mich so nicht. Auch ich würde mich in der lockeren, ungezwungenen Atmosphäre der Jugendgruppe im Anzug nicht wohl fühlen. Also raus aus dem Anzug, rein in Jeans und Sweatshirt.
Am Wochenende gehe ich aus. Ich möchte etwas schickes tragen, nicht zu steif (also keinen Anzug) aber auch nicht zu lässig (also keine Jeans). Ich stehe vor dem Kleiderschrank, und während ich mich umziehe, muß ich an diesen Satz „Kleider machen Leute“ denken. Verändere ich mich gerade, nur weil ich die Garderobe wechsele?
Wandelt sich denn etwas in mir? Ich bin ich, ob im Anzug oder Jeans. Aber es wandelt sich etwas bei den Menschen, die mir begegnen. Wir sehen oft nur bis zur Kleidung unseres Gegenübers. Wie sagt der kleine Prinz? „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Denn das „reine“ Herz sieht das Herz des anderen, nicht (nur) die Kleidung. Wenn wir uns gegenseitig mit dem Herz ansehen, dann ist die Kleidung fast egal. Denn der Mensch dahinter zählt.
(c) Jens-Erik Paul 1999fürs Laatzener Wochenblatt